Ein ehrliches Selbstgespräch über Mut, Berufung und die leisen Wunder, die entstehen, wenn Frauen sich trauen, ihren eigenen Weg zu schreiben.
Gute Fragen sind wie kleine Taschenlampen.
Sie leuchten in Ecken, die wir sonst gern überspringen.
Sie bringen zum Vorschein, was schon lange in uns schlummert – manchmal ein Schatz, manchmal ein alter Schmerz. Und manchmal genau das, was wir brauchen, um weiterzugehen.
Für mich sind Fragen Teil meiner täglichen Arbeit: Als Coachin und Mentorin stelle ich sie nicht, um schnelle Antworten zu bekommen – sondern um Räume zu öffnen. Für Erkenntnis, Entwicklung und das, was wir oft lange nicht zu sagen wagten.
Dieser Text ist im Rahmen der Blogparade von Claudia Stellmacher-Köthe entstanden: 7 Fragen, die ich mir in einem Interview wünsche. Am Ende sind es bei mir 10 Fragen geworden.
Und vielleicht ist dieses Interview mit mir selbst auch eine Einladung an dich: innezuhalten, hinzuhören – und die eine Frage zu finden, die gerade jetzt wichtig für dich ist.
1. Woher kommt mein Wunsch, Geschichten zu erforschen und aufzuschreiben?
Geschichten – vor allem Lebensgeschichten – wurden bei uns zu Hause oft und gerne erzählt. Ich bin ein Kind der 1960er Jahre. Ein Fernseher kam erst später. Dagegen erinnere ich mich, dass andere Frauen aus dem Dorf am Abend gemeinsam mit meiner Mutter im Wohnzimmer saßen und strickten. Dabei war der Raum voller Geschichten über Müllers, Meiers und Schulzes. Dorf halt.
Sonntags nach der Kirche, wir hatten eine hübsche Schlosskapelle im Dorf, saßen die Städter, die mit dem Pfarrer gekommen waren, bei meinen Großeltern am Küchentisch. Wer etwas auf sich hielt, kam mit zu Kromers. Dort wurden andere Geschichten erzählt. Geschichten aus der „guten, alten Zeit“ und von „drüben“, dem Land der wunderschönen Möglichkeiten.
Wieder anders waren die Geschichten, die sich die Menschen auf Geburtstags- oder Familienfesten erzählten. Oftmals ging es um „die Russen“, die sich nach dem Krieg im Haus einquartiert hatten und – obwohl Offiziere – so gar keinen Stil hatten. Zum Totlachen.
Und immer spürte ich, dass in diesen Erzählungen etwas nicht stimmen konnte, dass hinter all den Geschichten eine Wahrheit lauerte, die so traurig war, dass sie weh tun konnte. Vielleicht wollte ich deshalb als Kind gern bei der Kriminalpolizei arbeiten. Wahrheiten herausfinden und die Täter dingfest machen.
An meinem späteren Beruf als Krankenschwester hat mir immer der seelsorgerische Anteil mehr Spaß gemacht als das Aufziehen der Spritzen und das Sterilisieren der Instrumente. Viel später als Demenzberaterin, konnte ich in Lebensgeschichten baden. Und was die Wahrheiten betraf, da standen oft verschiedene Aussagen nebeneinander und ich lernte, dass jede von ihnen ein paar Körnchen Wahrheit enthielt.
In dieser Zeit habe ich den Wert von Geschichten vollends erkannt. Die Ausbildung zur Trainerin für Biografiearbeit und die Generation-Code-Ausbildung brachten ein noch tieferes Verständnis für die innewohnenden Prozesse. Wie oft werden unsere tiefsten Wunden zu unseren größten Geschenken. In meiner Arbeit mit meinen Kundinnen erlebe ich das immer wieder: Das, was uns am meisten schmerzt, birgt den Schlüssel zur Lösung.
2. Wie zeigt sich mein Jahresmotto „Ganzes Glück“ in meinem Leben und meiner Arbeit?
Rosarote Wolke, Dauerlächeln und Sonnenuntergang mit Aperol? Das ist nicht das Glück, das ich meine.
Für mich beginnt ganzes Glück da, wo wir aufhören, nur die hellen Kapitel zu feiern und immer besser lernen, auch durch die dunklen mit Würde zu gehen. Mit zitternden Knien vielleicht, aber mit einem inneren Ja. Zugegeben, Glück ist nicht immer leicht. Aber es ist echt, wenn es auch in schwierigen Zeiten bei uns bleibt.
Ich kenne Zeiten, in denen ich selbst durch ein tiefes Tal ging – nicht heldinnenhaft und strahlend, sondern müde und verletzlich. Trotz allem mit der Zuversicht: Auch das gehört zum Leben – und zum Glück. Anders gesagt, wie soll ein Mensch, der immer nur die Sonnenseiten des Lebens kennt, überhaupt Glück fühlen und wertschätzen können?
Glück haben wir generell, wenn wir heute in einer demokratischen Gesellschaft leben. Mehr Frauenrechte haben, als die Generationen vor uns. Auch wenn es bis zur Gleichwürdigkeit von Männern und Frauen noch ein langer Weg ist und aktuelle globale Entwicklungen die Rechte der Frauen wieder einschränken möchten, bin ich sehr dankbar für die im Grunde komfortable Situation in der wir uns befinden. Anders als vielen Frauen vor uns, können wir uns mit unserer Geschichte und unserer Zukunft befassen und sie mitgestalten. Übrigens auch die Geschichte, wenn wir die Leben unserer Ahninnen sichtbar machen.
In meiner Arbeit lade ich Frauen ein, die Bruchstellen ihres Lebens nicht zu übertünchen. Im Gegenteil! In meiner Arbeit als Demenzberaterin treffe ich oft auf alte Menschen, die nach dem Krieg einfach weiter gemacht haben – ohne ihre seelischen Verletzungen zu beleuchten. Das tut nun die Krankheit. Welch ein Glück, dass wir heute in der Lage sind, unsere Traumata anzusehen und zu bearbeiten.
Den Rahmen, in welchem sich eine Frau ihr Glück vorstellen kann, nenne ich Glücksrahmen. Den können wir im Coaching erweitern – mit einer kraftvollen Methode aus dem Generation-Code.
3. Welche Entscheidung in deinem Leben war vollkommen unvernünftig – und trotzdem genau richtig?
Fast zwanzig Jahre, in der Zeit als meine drei Kinder noch zu Hause lebten, arbeitete ich stundenweise in einer Großbank. Das war nicht nur wegen der familienfreundlichen Arbeitszeiten praktisch, auch das Geld am Monatsende stimmte. Doch als meine Kinder größer wurden, zog es mich von den Zahlen wieder zu den Menschen. „Bist du verrückt, so einen sicheren, gut bezahlten Job aufzugeben?“ fragten viele.
Ja, es war verrückt. Doch mein Herz hatte einen anderen Plan. Einige Zeit habe ich mich dagegen gewehrt, habe versucht, mich mit Gegebenheiten, die mir nicht gefielen, zu arrangieren. Ich zögerte vor dem Sprung in die Unsicherheit. Am Ende war es ein bisschen Verhandlungsgeschick. Mein Noch-Arbeitgeber stellte mich frei, zahlte mir die Weiterbildung zur Demenzberaterin und ein Karrierecoaching.
Vor einigen Jahren traf ich eine ehemalige Kollegin, die neugierig fragte: „Und? Ist alles so geworden, wie du wolltest?“ Und bevor ich nachdenken konnte, hörte ich mich sagen: „Viel besser!“
P.S.: Diese wunderschöne Frage habe ich mir von Victoria Hirsch gemopst.
4. Welche Frauen inspirieren mich – berühmte, bekannte oder aus meiner Ahnenlinie?
Ich bin bekennender Oprah Winfrey-Fan. Kennen lernte ich sie durch ihre Bücher und durch „The Oprah Winfrey Show“, die von 1986 bis 2011 lief. Ich liebe ihren großzügigen, empathischen Ansatz und die tiefgreifenden Gespräche über Lebenserfahrungen, Traumata, Heilung und persönliche Transformation. Darüber hinaus nehme ich Oprah als eine Verfechterin von Bildung, Selbstentwicklung und der Stärkung von Frauen wahr.
Dazu Brené Brown, die mich gelehrt hat, meine Verletzlichkeit zu lieben. Elizabeth Gilbert hat mich mit Eat Pray Love verzaubert und Maya Angelou hat mir mit ihren Gedichten und ihrer Autobiografie „Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt“ die transformative Kraft des Erzählens der eigenen Geschichte gezeigt.
Im deutschsprachigen Raum sind es Frauen wie die Filmemacherin und „moderne Hexe“ Luisa Francia. Sie verkörpert für mich die authentische Verbindung zwischen altem Wissen und modernem Frauenbewusstsein. Ihr unaufgeregter, weiser Blick auf die Welt und ihre treffenden Beobachtungen zu den Auswüchsen des Patriarchats in ihrem Tagebuch sind mein liebster allabendlicher Lesegenuss.
Im Alltag sind es meine 92jährige Patentante, die sich in ihre ganzen Leben nicht an sinnlose Regeln halten mochte und stets ihren eigenen Weg geht und noch heute die zu braven Menschen im Seniorenkreis aufmuntert. Oder meine Freundin C., die sich gerade an eine neue Liebe traut.
Ich denke an meine Großmütter, die eine, die als Schneiderin den Frauen nicht nur neue Kleider, sondern oft auch Trost und Selbstbewusstsein anpasste. Die andere, die in den 1930er Jahren von der Familie alleingelassen ihren unehelichen Sohn aufzog. Ihre Stärke war leise, aber unerschütterlich.
Wenn ich mit Frauen an ihrer Herkunftsbiografie arbeite, dann spüren wir oft: Da war eine Ahnin, die nicht tun oder seindurfte, was du heute kannst. Ihre Sehnsucht lebt in dir weiter – und wird zur Kraftquelle.
5. Was wünschen sich die Frauen wirklich, wenn sie zu mir kommen?
Auf den ersten Blick geht es oft um Orientierung, Klarheit oder neue Impulse für den eigenen Weg. Meine Kundinnen wollen wissen, wie sie ihre Geschichte sortieren, sichtbar machen oder verstehen können. Doch unter all dem liegt etwas Tieferes.
Viele Frauen, die zu mir kommen, sehnen sich nach einem Ort, an dem sie einfach sie selbst sein dürfen. Ohne Rollen. Ohne Funktion. Ohne Bewertung. Sie möchten gehört werden – erkannt werden mit dem ganzen Herzen.
Da ist die stille Hoffnung: Vielleicht ist meine Geschichte ja doch wichtig.
Da ist die zarte Frage: Darf ich das wirklich fühlen, sagen, schreiben?
Und da ist oft auch der Mut, der endlich raus will. Noch leise, aber spürbar.
Es ist ein schöner Moment, wenn wir gemeinsam herausfinden, was sie sich wirklich wünschen:
→ Eine Verbindung zu sich selbst.
→ Den roten Faden in ihrer Biografie zu erkennen.
→ Sich mit ihrem inneren Reichtum zu zeigen – nicht mehr nur zu funktionieren.
→ Transgenerative Muster auflösen und das Gute weitergeben an Kinder und Enkel
Auf der Startseite nenne ich es Selbstklärung. Ich könnte es auch Heimkehr nennen.
Zu dem, was schon lange in ihnen schlummert. Und jetzt bereit ist, Form anzunehmen.
6. Was passiert in mir, wenn eine Klientin ihre „geheimen Träume“ mit ihren Fähigkeiten zu verweben beginnt?
Das sind die Gänsehaut-Momente. Wenn ich spüre, wie sich etwas löst, wie Augen leuchten, wie ein „Ich darf das wirklich“ den Raum erfüllt. Es ist, als würde sich eine Tür öffnen, von der sie gar nicht mehr wusste, dass sie da ist.
Neulich sagte eine Klientin nach einer Sitzung: „Ich glaube, ich habe mir selbst gerade verziehen.“ So etwas berührt mich tief. In diesen Momenten weiß ich ganz sicher, warum ich tue, was ich tue. Es sind die stillen Wunder, die mich demütig machen – und mir zeigen: Diese Arbeit ist mein Weg.
7. Woher kommt meine unbändige Lust, Projekte zu kreieren?
Manchmal habe ich das Gefühl, Ideen wohnen in mir wie kleine Vögel – sie flattern, picken, zwitschern, machen sich bemerkbar. Und wenn ich ihnen keinen Raum gebe, werden sie unruhig. Ich muss etwas draus machen. Nicht aus Druck, sondern weil es mich lebendig hält.
Seit ich das Human Design kennengelernt habe und weiß, dass ich Manifestorin/Initiatorin bin, wird mir vieles klarer. Ich liebe es, neue Formate zu denken, Worte neu zusammenzusetzen, Räume für Begegnung zu gestalten. Projekte sind für mich wie Gefäße, in die ich meine Beobachtungen, mein Wissen, meine Intuition und meine Sehnsucht gießen kann.
Ich spüre den Wunsch, etwas zu hinterlassen, das anderen dient. Früher dachte ich, ich müsste ein großes Ding finden, das mich erfüllt. Heute weiß ich: Ich bin schöpferisch – nicht nur in meiner Arbeit, sondern durch sie.
Meine Projekte – die du in meinen Angeboten findest – sind meine Art, mit der Welt zu sprechen. Sie sind Antworten auf Fragen, die mich umtreiben. Und sie sind Einladungen – an andere Frauen, aber auch an mich selbst: Komm, wir probieren das aus. Lass uns das Leben ein bisschen tiefer, bunter, echter machen.
8. Welche drei Prinzipien leiten mich im Umgang mit schwierigen Lebensphasen?
Freundlichkeit – auch mir selbst gegenüber.
Ich habe gelernt, dass Selbstmitgefühl keine Schwäche ist, sondern Überlebenskunst. In schweren Zeiten laufen bei mir die Hörbücher von Brené Brown in Dauerschleife. Ihre Worte über das Wesen der Verletzlichkeit nähren mich und helfen mir, in harten Zeiten weich zu bleiben.
Vertrauen in den Prozess und das Universum
Nichts bleibt, wie es ist. Auch Schmerz nicht. Dieses Wissen hilft mir, durchzuhalten – ohne alles gleich lösen zu müssen. Dass Ungeduld ein Problem verschlimmern kann, habe ich auf die harte Tour gelernt. Mehrmals! Doch mit dem Alter kommt gottseidank auch etwas Weisheit. Und am Ende ist alles gut.
Die Kraft der eigenen Geschichte.
Unsere Geschichten tragen Ressourcen in sich. Ich erinnere mich in schweren Zeiten daran, was ich schon geschafft habe. Was meine Ahninnen, die hinter mir stehen, geschafft haben und welche Stärken sie mir vererbt haben. Wer ich war – und wer ich geworden bin.
9. Wie finde ich in bewegten Zeiten wieder in deine Mitte?
Ich liebe meine Rituale, die mir in stressigen Zeiten weiterhelfen:
– Meine Morgenseiten
– Eine Liste mit heilsamen Meditationen
– Tanzen, auch allein in der Stube
– Unkraut zupfen
– Leere Flaschen schwungvoll in den Container donnern
Noch besser, aber nicht ganz so schnell umsetzbar ist eine Fahrt ans Meer. Hach ja!
Das Geheimnis ist, die Rituale auch in entspannten Zeiten regelmäßig durchzuführen und nicht erst dann zu beginnen, wenn „die Hütte brennt“ oder „das Kind im Brunnen liegt“, denn dann fehlt oft die Energie oder Kraft. Okay, dann hilft wirklich nur noch das Meer.
10. Welche Botschaft möchte ich anderen Frauen auf ihren Weg mitgeben?
Vielleicht sind das die fünf wichtigsten Dinge, die ich jeder Frau sagen möchte:
1. Du trägst bereits alles in dir, was du brauchst. Deine Geschichte mit all ihren Licht- und Schattenseiten ist dein größter Schatz. Jede Erfahrung, jede Herausforderung, jeder Schmerz und jede Freude haben dich zu der besonderen Frau geformt, die du heute bist.
2. Das Abenteuer deines Lebens wartet nicht darauf, dass du perfekt wirst. Es wartet darauf, dass du den Mut fasst und losgehst, um die Frau zu werden, die du sein möchtest. Wenn du dich für deinen Weg entscheidest, dann fließt das Leben in Richtung deiner wahren Sehnsucht. Dieses Vertrauen ist keine naive Hoffnung, sondern eine tiefe Verbindung zu der Weisheit, die in dir wohnt.
3. Du bist Teil einer größeren Geschichte. Die Muster, Träume und auch die Wunden deiner Herkunftsfamilie fließen durch dich hindurch – aber du entscheidest, was du weitergibst und was du transformierst. Du kannst Heilung in deine Familienlinie bringen, indem du mit Freundlichkeit und Anmut auf deine eigene Geschichte blickst.
4. Du gehörst zu uns. Wenn du deine einzigartigen Geschenke lebst, inspirierst du andere Frauen, dasselbe zu tun. So erschaffst du eine Welt, in der Freundlichkeit, Respekt und bedingungslose Liebe keine Ausnahme, sondern die Regel sind.
5. Beginne dort, wo du stehst. Du musst nicht warten, bis alle Wunden geheilt oder alle Fragen beantwortet sind. Dein authentischer Weg beginnt mit dem ersten liebevollen Blick auf deine eigene Geschichte, mit dem ersten Wort, das du über dein Leben schreibst, mit dem ersten Schritt in Richtung der Frau, die du im Herzen bereits bist.
Du bist kostbar, du bist einzigartig, und du bist genau richtig, um deinen Weg zu gehen.
Meine Einladung an dich
Vielleicht magst du dir selbst auch ein paar dieser Fragen stellen. Welche Antwort in dir möchte endlich aufgeschrieben werden? Ich freue mich, wenn du sie mit mir teilst – oder einfach still für dich bewahrst.
Ich bin Eva Helms – Coachin, Schreibmentorin und Wegbegleiterin durch biografische Räume. Ich glaube daran, dass jede Geschichte zählt. Deine. Meine. Jede. In meinen Kursen und Coachings begleite ich Frauen in der zweiten Lebenshälfte dabei, ihre Geschichte neu zu schreiben – mit Würde, Mut und leuchtender Klarheit.
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