Da ist diese leise Stimme in dir, die sagt: „Das passt nicht für mich“ oder „Das möchte ich eigentlich anders machen“. Und gleich darauf meldet sich eine andere, lautere Stimme: „Stell dich nicht so an!“ oder „Was sollen denn die anderen denken?“
Du bist damit nicht allein. Viele Frauen kennen kennen diesen inneren Dialog. Wenn die laute Stimme gewinnt, tust du Dinge, die dir eigentlich nicht gut tun. Vielleicht denkst du jetzt: Typisch weiblich! Wir Frauen funktionieren halt so, passen uns an, stellen eigene Bedürfnisse zurück.
Ich möchte dich an den wertvollen Schatz erinnern, den du in dir trägst: Die Fähigkeit zu spüren, was für sie stimmig ist. Dein Eigensinn ist dein innerer Kompass, der dir den Weg zu mehr Lebendigkeit und Zufriedenheit zeigt.
In diesem Artikel erfährst du, warum deine eigene Stimme manchmal so leise ist, wie du sie wieder hören kannst und welche ersten Schritte dich zu mehr „Sinn für das Eigene“ führen. Auch anhand meiner Mini-Schreibimpulse wirst du entdecken, wie viel Kraft und Lebensfreude in deinem Eigensinn steckt.
Lege schon mal dein Journal und den Lieblingsstift bereit.
Warum unsere eigene Stimme oft so leise ist
Das Modell der Transaktionsanalyse ist ein gute Methode, um herauszufinden, welcher Teil deiner Persönlichkeit gerade „am Steuer sitzt“ – dein inneres Kind, dein innerer Erwachsener oder deine inneren Eltern – und wie diese verschiedenen „Ichs“ miteinander und mit anderen in Beziehung treten.
Als Mädchen und Frau hast du viele einschränkende Botschaften gehört. „Sei nett, denk an die anderen“, hieß es dann. Oder: „Was sollen denn die Leute denken?“ Diese Sätze haben sich tief in dir eingeprägt und wurden Teil deines inneren Kritiker-Ichs. Der meldet sich nun besonders laut, wenn du etwas anders machen willst als gewohnt.
Das „angepasste Kind“ in dir will es allen recht machen. Es hat Angst vor Ablehnung und davor, nicht mehr geliebt zu werden. Kein Wunder – du hast ja auch jahrelang geübt, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und deine eigenen hintenanzustellen.
Schreibimpuls:
Welche Sätze aus deiner Kindheit und Jugend fallen dir ein, die deinen Eigensinn gebremst haben? Schreibe sie in dein Journal. Und dann verwandle jeden einzelnen in einen ermutigenden Satz. Aus „Sei nicht so eigensinnig“ wird vielleicht „Dein Eigensinn ist dein Kompass“.
Transaktionsanalyse kurz erklärt
Das Herzstück der Transaktionsanalyse, die in den 1960er Jahren von Eric Berne entwickelt wurde, sind die drei Ich-Zustände:
- Das Eltern-Ich
Hier sind alle Verhaltensweisen und Werte gespeichert, die wir von Autoritätsfiguren (meist unseren Eltern) übernommen haben. Es gibt zwei Ausprägungen:
Das kritische Eltern-Ich („Das gehört sich nicht!“, „Reiß dich zusammen!“)
Das fürsorgliche Eltern-Ich („Ich pass auf dich auf“, „Lass mich das für dich machen“)
- Das Erwachsenen-Ich
Das ist der „Computerraum“ unserer Persönlichkeit, der die Realität sachlich analysiert und überlegte Entscheidungen trifft. Das Erwachsenen-Ich vermittelt zwischen Eltern-Ich und Kind-Ich und prüft, ob alte Verhaltensmuster heute noch sinnvoll sind.
- Das Kind-Ich
Auch hier gibt es verschiedene Anteile:
Das freie Kind-Ich: spontan, kreativ, lebensfroh
Das angepasste Kind-Ich: folgsam, brav, macht es anderen recht
Das rebellische Kind-Ich: trotzig, protestierend
Jeder dieser Zustände hat seine Berechtigung. Probleme entstehen immer dann, wenn einer dieser Zustände zu dominant wird. Gesund ist, wenn Menschen flexibel zwischen den Zuständen wechseln können. Gerade der Zustand des freien Kindes ist es, der dich mit der inneren Freude verbindet.
Was Hermann Hesse über den Eigensinn sagt
„Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie heißt: Eigensinn. Von allen den vielen Tugenden … kann ich nicht so viel halten. Und doch könnte man alle die vielen Tugenden, die der Mensch sich erfunden hat, mit einem einzigen Namen umfassen: Tugend ist Gehorsam.
… Einzig der Eigensinn ist es, der nach diesen Gesetzen nicht fragt. Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen unbedingt Heiligen: dem Gesetz in sich selbst, dem Sinn des Eigenen.“
Ich liebe diese Gedanken zum Eigensinn von Hesse. Hier kannst du den kompletten Essay zum Eigensinn von Hermann Hesse anhören.
Die Kraft des gesunden Eigensinns
Werfen wir also unsere veralteten Vorstellungen von „eigensinnigen“ Menschen über Bord. Eigensinn heißt eben auch, dem eigenen inneren Sinn zu folgen. Deine eigene Wahrheit zu kennen und zu ihr zu stehen. Diplomatisch, aber klar. Freundlich, aber bestimmt.
Eigensinn und Selbstfürsorge sind ein starkes Team. Sie stärken sich gegenseitig: Wenn du gut für dich sorgst, wird deine innere Stimme klarer. Und wenn du auf deine innere Stimme hörst, weißt du besser, was dir gut tut.
Selbstfürsorge ist dabei viel mehr als das klassische Schaumbad bei Kerzenschein. Es bedeutet, dich selbst ernst zu nehmen. Dir zu erlauben, Grenzen zu setzen. Auch dann, wenn andere das vielleicht nicht verstehen. Es bedeutet, dein Leben nach deinem eigenen Rhythmus zu gestalten – nicht nach den Erwartungen anderer.
Zeigen kann sich das in den kleinen Entscheidungen des Alltags: Wenn das Telefon klingelt, darfst du entscheiden, ob du jetzt sprechen möchtest. Wenn eine Anfrage kommt, musst du nicht sofort „Ja“ sagen. Wenn dein Körper nach Ruhe ruft, ist das ein wichtiges Signal.
Eine Teilnehmerin aus meinem Seminar hat es so ausgedrückt: „Früher dachte ich, Selbstfürsorge bedeutet, mich ab und zu zu verwöhnen. Heute weiß ich: Es bedeutet vor allem, mir treu zu sein. Meine Wahrheit zu leben – auch wenn sie anderen nicht gefällt.“
Schreibimpuls: Stell dir vor, deine innere Stimme schreibt dir einen Brief. Was würde sie dir sagen? Was wünscht sie sich für dich? Was braucht sie von dir? Lass die Worte einfach fließen.
Deine Geschichte neu entdecken
Dein Eigensinn hat eine Geschichte. Er wurde geprägt durch Erlebnisse, durch Menschen, die dich ermutigten oder bremsten, durch Wendepunkte in deinem Leben. Wenn du verstehen willst, warum dir manches heute noch schwerfällt, lohnt sich ein Blick in diese Geschichte.
Das biografische Schreiben ist dabei wie ein Scheinwerfer, der wichtige Momente beleuchtet: Die kleine Situation aus deiner Kindheit, als du dich durchgesetzt hast. Der Moment als Jugendliche, wo du zum ersten Mal „Nein“ gesagt hast. Die Erfahrung als junge Frau, die dich vorsichtig werden ließ. Der Rat einer klugen alten Frau, der in einer bestimmten Situation genau passte.
Schreibimpuls: Schließe die Augen und vollende spontan den Satz „Eigensinn bedeutet für mich…“ Schreibe alles auf, was dir dazu in den Sinn kommt.
Eigensinn-Journal
Führe eine Woche lang ein „Eigensinn-Tagebuch“: Notiere jeden Abend eine Situation, in der du auf deine innere Stimme gehört hast. Oder eine, wo du es beim nächsten Mal tun möchtest.
Mini-Selbsttest: Wie steht es um deinen Eigensinn?
Nimm dir einen Moment Zeit und spüre in dich hinein. Wie oft erlebst du folgende Situationen?
- Innere Stimme und Handeln
– Ich spüre deutlich, was ich möchte oder nicht möchte
– Ich handle auch danach
– Ich kann meine Entscheidungen gut begründen – vor allem mir selbst
- Grenzen und Bedürfnisse
– Ich sage auch mal „Nein“, wenn mir etwas zu viel ist
– Ich nehme meine Bedürfnisse genauso ernst wie die anderer
– Ich hole mir Unterstützung, wenn ich sie brauche
- Authentizität im Alltag
– Ich traue mich, eine andere Meinung zu vertreten
– Ich bleibe freundlich UND klar bei dem, was mir wichtig ist
– Ich kann gut damit leben, wenn nicht alle mit mir einverstanden sind
Bewertung:
Zähle, wie oft du spontan „Ja, das trifft auf mich zu“ gedacht hast.
7-9 Ja: Glückwunsch! Dein Eigensinn ist schon gut entwickelt. Du kennst deine innere Stimme und hörst auf sie. Bleib dran!
4-6 Ja: Du bist auf einem guten Weg. Manchmal lässt du dich noch von alten Mustern bremsen. Welchen kleinen Schritt könntest du heute gehen, um noch mehr auf deine innere Stimme zu hören?
0-3 Ja: Dein Eigensinn wartet darauf, wieder entdeckt zu werden. Das ist ein Schatz, den es sich zu heben lohnt! Der erste Schritt ist getan: Du hast bemerkt, dass da noch Potenzial ist.
Wichtig: Es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“. Jede Antwort zeigt dir, wo du im Moment stehst – und in welche Richtung du dich entwickeln kannst, wenn du magst.
Egal, wie dein Ergebnis ausgefallen ist: Eigensinn ist wie ein Muskel, den wir trainieren können. Wie das konkret geht? Das erfährst du im nächsten Abschnitt…
So bekommst du mehr Mut zum Eigensinn
Der Weg zu deinem Eigensinn beginnt mit dem Wahrnehmen deines „Bauchgefühls“. Was fühlt sich stimmig an? Wo spürst du ein klares „Nein“ im Körper? Wann fühlst du dich energiegeladen, wann erschöpft?
Ein hilfreicher Trick, den ich anwende, ist das Overnight-Prinzip: Ich sage nicht sofort „Ja“, sondern: „Ich überlege es mir und melde mich morgen“ Diese Pause verschafft mir Zeit, um nach innen zu hören und gibt mir den Mut, gegebenenfalls ein wertschätzendes „Nein“ zu formulieren.
Beginne mit kleinen Schritten. Überlege: Was möchtest du schon lange anders machen? Welcher winzige Schritt wäre heute möglich?
Schreibimpuls: Schreibe einen Brief an eine vertraute Person, in dem du von deinem Wunsch nach mehr Eigensinn erzählst. Was möchtest du verändern? Diesen Brief musst du nicht abschicken – er ist ein Geschenk an dich selbst.
Gemeinsam mutiger werden
Du darfst dich bei diesen Veränderungen begleiten lassen. Der Austausch mit anderen Frauen macht Mut. Du siehst: Du bist nicht allein auf diesem Weg. Jede Geschichte von gelebtem Eigensinn ist eine Ermutigung für andere.
Genau dafür habe ich etwas Besonderes vorbereitet: Meinen Adventskalender „Mutige Weihnachten“. Jeden Tag öffnest du ein Türchen und findest eine kleine Geschichte, die Mut macht. Eine sanfte Übung für mehr Eigensinn. Inspiration von Frauen, die ihren Weg bereits gehen. Fragen, die dich zum Nachdenken anregen.
Schreibimpuls: Schreibe einen Brief an dein zukünftiges Ich. Wie möchtest du in drei Monaten mit deinem Eigensinn umgehen? Was wünschst du dir? Bewahre diesen Brief auf und öffne ihn nach deiner Adventskalender-Zeit.
Hier geht es zum Adventskalender „Mutige Weihnachten“
Möchtest du deinen Eigensinn stärken? Mit anderen Frauen gemeinsam wachsen? Dann sei dabei beim kostenfreien Kalender „Mutige Weihnachen“. Der Adventskalender startet am 1. Dezember.
Lass uns gemeinsam entdecken, wie viel Kraft und Freude in deinem Eigensinn steckt!
Das wird Biografissima! Versprochen 🙂
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