Wir alle träumen von einer heilen Familie – von Ahnen, auf die wir stolz sein können, und von Eigenschaften, die wir gerne weitertragen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Die „misstrauische“ Großmutter, der „jähzornige“ Vater, die „übervorsichtige“ Mutter. Vielleicht schämst du dich sogar für bestimmte Familienmitglieder oder ärgerst dich über Eigenschaften, die du von ihnen übernommen hast.
Dabei könnte hinter jeder „problematischen“ Eigenschaft genauso gut eine Überlebensstrategie stecken, die damals lebensrettend war – und auch heute noch eine kostbare Gabe sein kann!
In diesem Artikel zeige ich dir Schritt für Schritt, wie du mit einem Genogramm die verborgenen Stärken deiner Familie entdeckst. Du wirst lernen, deine Familiengeschichte mit völlig neuen Augen zu sehen und endlich Frieden mit deinem Erbe zu schließen. Am Ende trägst du nicht mehr die Last deiner Familie, sondern ihre Geschenke – und lebst dabei trotzdem in völliger Freiheit deinen eigenen Weg.
Bist du bereit, die Heilung in deiner Familiengeschichte zu entdecken?
Warum die „schwierigen“ Familienmitglieder oft die stärksten waren
Wenn du Stärken im Genogramm entdecken möchtest, schau nicht nur auf die „perfekten“ Familienmitglieder. Oft verbergen sich die wertvollsten Gaben gerade hinter den Eigenschaften, die als problematisch galten. Eine „misstrauische“ Großmutter hatte vielleicht die feinste Intuition, ein „cholerischer“ Vater die einen ausgeprägten Beschützerinstinkt.
Ein Genogramm zeigt mehr als Verwandtschaftsverhältnisse – es offenbart die Überlebensstrategien ganzer Generationen. Mit dieser einfachen Anleitung lernst du, die verborgenen Stärken deiner Ahnen zu erkennen und als wertvolles Erbe für dein eigenes Leben zu nutzen.
Schritt 1: Deine Stärken-Schatzkarte erstellen
Was du brauchst:
- Ein großes Blatt Papier
- Zwei verschiedene Stifte
- Einen ruhigen Moment für dich
Erstelle zunächst dein Genogramm. Benutze die typischen Symbole der Genogrammarbeit.
Damit hast du die passende Übersicht für dein Familiensystem, ideal um Stärken und deren Weitergabe im Genogramm zu entdecken.
Schritt 2: Die verborgenen Stärken sammeln
Schreibe nun neben jedes Familienmitglied die Eigenschaften, die der Person zugeordnet werden, auch dann, wenn sie als problematisch gelten. Gerade hier verbergen sich oft die größten Stärken im Genogramm:
- Großmutter: „War immer so misstrauisch“
- Vater: „Konnte seine Wut nicht kontrollieren“
- Mutter: „War viel zu ängstlich“
- Onkel: „Hatte keine Geduld mit Kindern“
- Urgroßmutter: „Bekam fast jedes Jahr ein Kind und opferte sich völlig für die Familie auf“
Wichtig: Schreibe auf, was du selbst erfahren oder von anderen Familienmitgliedern gehört hast – auch wenn es sich hart anhört. Diese ersten Eindrücke sind vielleicht schon der Schlüssel zu den verborgenen Stärken.
Schritt 3: Die wahren Stärken im Genogramm entdecken
Nimm einen Stift in einer anderen Farbe und schreibe daneben, welche Überlebensstärke diese „Schwäche“ eigentlich war. So entdeckst du die wertvollsten Stärken im Genogramm deiner Familie:
-
So findest du die verborgene Stärke:
1. Frage dich: „Wozu war dieses Verhalten gut?“
- Was hat es dieser Person ermöglicht?
- Vor was hat es sie geschützt?
- Was konnte sie dadurch erreichen?
2. Erkenne das positive Potenzial:
- „Misstrauen“ = feine Intuition für Menschen und Situationen
- „Sturheit“ = Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit
- „Kälte“ = Fähigkeit, in Krisen klar zu denken
- „Angst“ = Sensibilität und Achtsamkeit für Gefahren
3. Verwende diese Umwandlungsformel:
[Schwäche] war eigentlich [Stärke], die half bei [damalige Herausforderung]
Praktische Beispiele:
- Großmutters „Misstrauen“ war eigentlich ihre „feine Intuition für Menschen“, die ihr half bei „dem Überleben in unsicheren Zeiten“
- Vaters „Wutausbrüche“ waren eigentlich „starke Schutzkraft“, die ihm half bei „der Verteidigung der Familie“
- Mutters „Ängstlichkeit“ war eigentlich eine „hohe Sensibilität“, die ihr half bei „dem frühzeitigen Erkennen von Problemen“
- Onkels „Ungeduld mit Kindern“ war eigentlich sein „starker Fokus auf das Wesentliche“, der ihm half bei „der Sicherung des Familienüberlebens“
- Urgroßmutters „Aufopferung für die Kinder“ war eigentlich ihre „große Mutterliebe und Belastbarkeit“, die ihr half bei „der Sicherung des Überlebens der nächsten Generation“
Jede vermeintliche Schwäche wird so zu einer erkannten Stärke, die damals lebensrettend war.
Bei schweren Themen: Verstehe den Schmerz, ehre die Person
Manchmal stößt du auf Familiengeschichten, die sich nicht leicht umdeuten lassen: Sucht, Gewalt, Suizid. Auch hier kannst du Stärken entdecken, ohne das Leid zu beschönigen:
- Alkoholsucht → „War so sensibel, dass der Schmerz unerträglich wurde. Suchte einen Weg zu überleben.“
- Depression/Suizid → „Fühlte so tief, dass die Welt überwältigend war. Ihre Sensibilität war ein Geschenk, das keine Unterstützung fand.“
- Harte Erziehung → „Wollte die Kinder stark machen für eine harte Welt. Kannte selbst keine andere Art der Liebe.“
Das Ziel ist nicht, den Schmerz zu rechtfertigen, sondern die Person hinter dem Verhalten zu sehen. Oft waren es ganz besondere Menschen, die unter der Last des Lebens zerbrachen. Ihre Gabe war da – sie fand nur keinen gesunden Ausdruck.
Besonders schwierige Themen wie eine Nazi-Vergangenheit oder andere ideologische Verstrickungen brauchen einen eigenen, behutsamen Ansatz. Dazu schreibe ich bald einen separaten Artikel, der dir zeigt, wie du auch mit solchen Familiengeheimnissen versöhnlich umgehen kannst, ohne Schuld zu übernehmen oder Unrecht zu relativieren.
Schritt 4: Den Überlebenskontext verstehen
Um die Stärken im Genogramm vollständig zu würdigen, frage dich bei jeder entdeckten Stärke:
- In welcher Zeit lebte diese Person?
- Welche Rollenvorbilder standen ihr zur Verfügung?
- Welche Herausforderungen musste sie bewältigen?
- Wie half ihr diese Eigenschaft beim Überleben?
Beispiel: Die „misstrauische“ Großmutter lebte vielleicht in Kriegszeiten, wo ihre Vorsicht überlebenswichtig war. Ihre „Sturheit“ half ihr, schwere Zeiten durchzustehen.
Diese Erkenntnis verwandelt Kritik in Dankbarkeit.
Schritt 5: Deine geerbten Stärken im Genogramm erkennen
Schaue auf deine Liste der entdeckten Stärken und frage dich:
- Welche dieser Überlebensstrategien habe ich geerbt?
- Welche Stärken im Genogramm brauche ich heute noch?
- Welche kann ich in einer neuen, liebevolleren Form leben?
Beispiel: Wenn du die „Ängstlichkeit“ deiner Mutter geerbt hast, erkenne sie als wertvolle Sensibilität. Du spürst Dinge früh – nutze das bewusst als Stärke, statt dich dafür zu kritisieren. So werden vererbte Stärken im Genogramm zu bewussten Gaben.
Schritt 6: Deine Familienstärken neu formulieren
Ich lade dich ein, eine „Schwäche“ auszuwählen, die du von deiner Familie übernommen hast. Schreibe eine neue Geschichte zu dieser Eigenschaft. So machst du die entdeckten Stärken im Genogramm zu deinem bewussten Erbe:
Alt: „Ich bin viel zu sensibel, wie meine Mutter.“ Neu: „Ich habe von meiner Mutter die Gabe geerbt, feine Schwingungen wahrzunehmen. Das ist meine Stärke.“
Diese Neubewertung verwandelt Scham in Stolz und macht aus vererbten „Problemen“ erkannte Stärken.

Schritt 7: Ein Dankbarkeits-Ritual für deine Ahnen
Ich hoffe, du hast nun so einige (neue) Stärken in deinem Genogramm entdeckt. Wie wäre es mit einem bewussten Moment der Würdigung? Dieses einfache Ritual schließt deine Entdeckungsreise liebevoll ab:
So führst du das Ritual durch:
- Setze dich ruhig vor dein fertiges Genogramm
- Lege eine Hand auf dein Herz, die andere auf deine Familienkarte
- Sprich innerlich oder leise zu deinen Ahnen:
„Liebe Ahninnen und Ahnen, ich sehe euch heute mit ganz neuen, liebevollen Augen. Ich erkenne die besonderen Gaben, die ihr in euch getragen und an mich weitergegeben habt. Von Herzen danke ich euch für eure unermüdliche Kraft. Danke für eure weise Intuition. Danke für all den Mut, den ihr aufgebracht habt. Ich umarme euch in Gedanken als die wunderbaren Menschen, die ihr wart. Eure Stärken sind ein Geschenk, das ich mit großer Dankbarkeit in mir trage.“
Dein persönlicher Dank:
Wähle eine konkrete Stärke aus, die du heute entdeckt hast, und sage:
„Danke, [Name deiner Ahnin/deines Ahnen], für deine [konkrete Stärke]. Ich sehe jetzt, wie sie dir geholfen hat und wie sie auch mir heute dient.“
Für Ahnen mit schwerem Schicksal: Ein Ritual der Würdigung
Wenn deine Familie von Sucht, Suizid oder anderen tragischen Schicksalen geprägt ist, braucht es ein besonderes Ritual der Anerkennung:
- Zünde eine Kerze an als Symbol für das Licht, das in ihnen war
- Sprich zu ihnen:
„Ich sehe deinen Schmerz. Ich sehe, wie schwer dein Weg war. Du hast so lange gekämpft, wie du konntest. Deine Sensibilität, deine Tiefe, deine Gaben waren real – auch wenn sie aufgrund der Umstände keinen Ausdruck finden konnten. Ich ehre dich für das, was du warst. Ich bin frei, meinen eigenen Weg zu gehen, und trage dabei die Liebe zu dir in meinem Herzen.“
- Nimm dir einen Moment des stillen Gedenkens
- Sprich zum Abschluss:
„Du warst mehr als dein Schmerz. Ich gehe meinen eigenen Weg in Liebe und Freiheit.“
Dieses Ritual verwandelt alte Vorwürfe in echte Dankbarkeit und schafft eine neue, liebevolle Verbindung zu deiner Familienlinie.
Deine Ahnen als Stärken-Vorbilder
Wenn du beginnst, Stärken im Genogramm zu entdecken, verändert sich dein Blick auf deine Familie grundlegend. Du siehst keine schwachen oder schwierigen Menschen mehr, sondern Überlebenskünstler und Stärken-Träger.
Jede Generation hat mit den Mitteln, die sie hatte, ihr Bestes gegeben und dir wertvolle Stärken hinterlassen. Diese Eigenschaften kannst du heute bewusst und liebevoll weiterentwickeln.
Würdigung ohne Verpflichtung – Deine Freiheit leben
Diese Arbeit mit dem Genogramm führt zu einer befreienden Erkenntnis: Du kannst deine Ahnen ehren, ohne ihre Last zu tragen. Wahre Würdigung schenkt Anerkennung aus deinem freien Herzen. Echte Liebe verbindet dich mit deinen Ahnen, während sie dich gleichzeitig frei lässt, deinen eigenen Weg zu gehen.
Du musst nicht die unerfüllten Träume deiner Vorfahren leben oder ihre Aufträge erfüllen. Stattdessen darfst du:
- Ihre Stärken anerkennen, ohne dich dafür verantwortlich zu fühlen
- Deine eigene Bestimmung leben, nicht fremde Erwartungen
- Echte Versöhnung ohne neue Belastung erschaffen
- In Liebe und Freiheit deinen eigenen Weg gehen
Diese Einstellung befreit dich von dem schlechten Gewissen, deiner Familie ‚untreu‘ zu werden, wenn du deinen eigenen Weg gehst. Sie respektiert sowohl deine Autonomie als auch die deiner Ahnen. Jede Generation muss mit anderen Umständen zurechtkommen und hat das Recht auf ihren eigenen Weg.
Zusammenfassung
Mit dieser praktischen 7-Schritte-Anleitung entdeckst du die verborgenen Stärken im Genogramm deiner Familie. Lerne, wie du vermeintliche Schwächen deiner Ahnen als wertvolle Überlebensstrategien erkennst und für dein eigenes Leben nutzt.
Von der Erstellung deiner Familienkarte bis zum heilsamen Dankbarkeits-Ritual – dieser Leitfaden zeigt dir, wie Genogramm-Arbeit zur Versöhnung mit deiner Familiengeschichte führt. Perfekt für Frauen, die ihre Herkunftsfamilie neu verstehen und dabei ihre eigene Freiheit leben möchten. Inklusive Umgang mit schweren Familienthemen und einem befreienden Ritual für wahre Versöhnung.